In einem Klausner Wirtshaus erzählten sich eines Abends die Gäste allerlei Geschichten vom Seiser-Alm-Geist. Eine Kellnerin mischte sich in das Gespräch und machte sich
erbötig, den Geist auf der Seiser Alm aufzusuchen und zum Beweis den Milchseiher von droben mitzubringen. Die Stammtischgäste verspradien dem Mädel acht blanke Silbertaler, wenn es dieses
Wagnis glücklich durchführe.
in der nächsten hellen Mondnacht machte sich die Kellnerin auf und stieg, begleitet vom Hofhund, zur Seiser Alm empor. Als sie schon in der Nähe der
Schwaige war, hörte sie den Ton eines Bockshorns, worauf der Hund den Schwanz einzog und heulend bergab lief. Auch das Mädchen beschlich Furcht, doch es nahm sidi zusammen, sperrte die
Tür der Schwaige auf und trat mit den Worten: Alle guten Geister loben Gott den Herrn!" über die Schwelle. Kaum hatte die Kellnerin ein Feuer entzündet, da erscholl wieder dreimal
der Ruf des Bockshorns, ein Windstoß riß die Hüttentüre auf, und der riesenhafte Almgeist trat ein, ging zum Herd und kochte sidi eine Suppe. Die Kellnerin hatte schon vor dem Eintritt
des Geistes den Milchseiher von der Wand gerissen, sich bekreuzigt und harrte nun in einer Ecke des Kommenden. Als die Suppe gekocht war, lud der Geist das Mädchen mit gebieterischer
Handbewegung zum Mitessen ein. Da sich die Kellnerin nicht hervorwagte, stand der Geist auf, um das Mädchen zu holen. Die Kellnerin stieß das Gespenst zurück, sprang in ihrer Todesangst
zur Tür und rannte ins Freie.
Erst beim Betläuten kam das Mädchen atemlos in Klausen an; es hatte zwar die Wette gewonnen, erkrankte aber in der gleichen Stunde und erlag nach
wenigen Tagen einem Nervenfieber.
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