Zitherspieler und Geisterzug

In der Heiligen Nacht begeben sich, besonders zur Zeit des sogenannten "Schreckausläutens" von elf bis zwölf Uhr, merkwürdige Dinge; es werden Geister wach, und manchem, der zu dieser Stunde sich ins Freie getraut, sind geheimnisvolle Kräfte kundgeworden.

Da stellte sich einmal ein Paznauner Zitherspieler während dieses Läutens an dem Kreuzweg unter dem Kirchplatz in Langesthai auf und spielte auf seinem Instrument. Plötzlich näherte sich ihm ein langer Zug dunkler Gestalten, die den Mann im Vorbeigehen anredeten; auch die längst verschiedenen Eltern des neugierigen Musikanten waren dabei und richteten an ihren Sohn einige Worte. Aber der Bursche wußte, was man in solchen Fällen zu tun hat. Er blieb stumm wie ein Fisch, rührte sich nicht und spielte nur eifrig auf seiner Zither weiter. Am Ende des langen Geisterzuges trat der Teufel auf den Unerschrockenen zu und drückte ihm die spielenden Finger mit solcher Kraft in die Zithersaiten, daß das Blut unter den Nägeln herausspritzte.

Seit dieser Stunde war der Bursche der beste Zitherspieler im ganzen Land, kein anderer vermochte es ihm an Meisterschaft gleichzutun.

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