Anderle von Rinn

Im Dorfe Rinn lebte um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine arme Taglöhnerswitwe, Maria Oxner, mit ihrem dreijährigen Knaben Andreas.

Als die Mutter eines Tages, am 12. Juli 1462, auf die Ambraser Felder zum Kornschneiden ging, übergab sie ihr Kind seinem Taufpaten, dem Weißelbauern von Rinn, Hannes Mayr, der ihr hoch und heilig versprach, das Anderle wie seinen Augapfel zu hüten. Der Göt aber liebte allzusehr das Geld und einen guten Tropfen, und so hatten jüdische Kaufleute, die auf der Ellbögener Hochstraße von der Bozner Messe her des Weges kamen, leichtes Spiel, als sie den Weißelbauern beredeten, ihnen das kleine Anderle, das sie vor dem Hause spielend angetroffen hatten und das ihnen gar so gut gefalle, zu überlassen. Die Bedenken des Bauern verscheuchten die fremden Männer mit dem Versprechen, dem Knaben eine gute Erziehung zu geben und ihn zum wohlhabenden Mann zu machen. Ganz wurde aber Hannes gewonnen, als ihm die Juden einen Hut voll blinkender Taler für das Kind und für ihn selbst zurückließen.

Die Männer aber schleppten das Anderle mit sich und verübten an ihm im nahen Birkenwald ein schauerliches Verbrechen. Auf einem großen Stein entkleideten sie das Kind, knebelten seinen Mund und schnitten ihm die Adern am ganzen Körper auf, so daß es in stummer Qual verbluten mußte. Dann hingen die Unmenschen den entseelten Körper an einen Birkenbaum und suchten das Weite.

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