Zur gleichen Stunde spürte die Mutter mitten in ihrer Arbeit auf den Ambraser Feldern einen warmen Blutstropfen auf der rechten Hand. Sie wischte ihn zuerst achtlos fort,
da fiel ein zweiter und gleich darauf ein dritter Tropfen auf ihre Hand. Der Herzschlag der Mutter stockte, sie ahnte nun, daß ihrem Kinde Böses widerfahren sein müsse, und eilte heim,
hinauf nach Rinn. Auf die bange Frage der Mutter, wo denn das Kind sei, erzählte der Göt ihr von den fremden Männern und wies der Frau den Hut voller Taler vor. Da wandelten sich zum
Entsetzen des Hannes die Geldstücke in raschelndes, welkes Laub. Den verräterischen Göt aber befiel in der jähen Erkenntnis seiner unseligen Tat Wahnsinn.
Die unglückliche Mutter
durchsuchte nun mit ihren Nachbarinnen die ganze Umgebung und fand bald zu ihrem Entsetzen den Leichnam des Kindes an der Birke hoch über dem blutbefleckten Stein hängen. Das Knäblein
wurde unter großer Teilnahme des Volkes zunächst auf dem Friedhof zu Rinn bestattet. Als dort viele Wunder geschahen und eine herrliche Lilie aus dem Unschuldsgrab hervorwuchs, erbauten
die Rinner über dem Martergrab eine Kirche, in der die Gebeine des Anderle, bekleidet mit kostbaren Gewändern, in der einen Hand eine goldene Palme, in der anderen ein goldenes
Messerlein, oberhalb des Altars zur allgemeinen Verehrung aufgestellt wurden.
Die Mörder des Kindes sind nie gefunden und für ihre Untat bestraft worden, der leichtsinnige Göt
mußte in seinem Irrwahn jahrelang mit schweren Ketten in einem Stall gehalten werden, bis ihn der Tod von seinem Elend erlöste.
In den Ambraser Feldern steht heute noch eine
Kapelle zum Gedenken an die drei Blutstropfen. Droben am judenstein" wird seit 1670 die stattliche Kirche des Anderle von Rinn viel besucht.
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