Die Entstehung der Marmolata

Die Marmolata, die mit ihrem gletscherleuchtenden Haupt wie eine Königin aus dem Dolomitenreich aufragt, war einst eine fruchtbare Alm, auf der das saftigste Gras gedieh. Ihr Besitzer wollte am Vorabend des Hohen-Frauen-Tages, ungeachtet der gebotenen Arbeitsruhe, das Heu einliefern. Als ihn ein frommer Knecht vor dieser Entheiligung des Tages, welcher der Muttergottes geweiht ist, warnte, lachte der Bauer auf und sprach: "Ach was, Muttergottes hin oder her, i hab mei Heu im Stadel!"

Kaum war das frevle Wort gesprochen, da brach ein furchtbares Hagelwetter über die Alpe herein, das bald in dichten Schneefall überging. Der Bauer gedachte den Flockensturm zu verschlafen und kroch in einen Heuschober; doch das Schneetreiben dauerte an. Am nächsten Morgen lag die ganze Alm unter metertiefem Eis, das audi den FrevIer begraben hatte.

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Nach einer anderen Form der Sage stritten sich einst zwei Grödner um den Besitz dieser Alm; schließlich gewann jener den Streit, der eigentlich kein Anrecht darauf gehabt hätte. In gerechtem Zorn stieß sein Gegner die Verwünschung aus, der Boden der Alm möge mit ewigem Eis bedeckt sein.

Der Fluch ging in Erfüllung. Seither ist der Marmolatagipfel von einem schimmernden Gletscherkranz umgeben.

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