Am Finstermünzpaß, wo die alte Kaserne der Straßensperre von Nauders steht, befand sidi vor hundert Jahren ein Wirtshaus, das an der vielbegangenen und -befahrenen
Reschenstraße zahlreiche Gäste beherbergte, von denen manche auf rätselhafte Art verschwanden.
Als einst ein ungewöhnlich harter Winter angebrochen war, schickte der Besitzer des
Gasthauses seine Kinder zu einem Vetter, dem Metzger, nach Nauders, damit sie dort ohne weiten, gefahrvollen Weg die Schule besuchen könnten. Wie nun eines Tages der kleine Sohn des
Wirtes dem Vetter beim Schlachten eines Kalbes zusah, rief das Knäblein aus: "Grad so macht's mein Vater mit den reichen Leuten, die bei uns
übernachten!"
Schreckensbleich hörte der Metzger die verräterische Kunde aus arglosem Kindermund; er teilte sie dem Gerichte mit, und bald war das Mördernest im Wirtshaus an
der Reschenstraße ausgehoben. Der Wirt und seine Helfer verfielen dem Henker, das Gasthaus, in dessen unterirdischen Gewölben man viele Gebeine der Ermordeten fand, wurde niedergerissen,
die Güter des verbrecherischen Besitzers wurden zur Gründung eines Spitalfonds in Nauders verwendet. Noch lange Jahre nachher wurde der unheimliche Ort, den zur Nachtzeit oft
gespenstischer Lichtschein erhellte, von den Leuten gemieden.
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