Das Fräulein von Maretsch

Jeder Besucher Bozens kennt das stattliche Schloß Maretsch, das mit seinen Türmen, in rebenübersponnene Weingärten gebettet, und dem landschaftlichen Hintergrund des Rosengartens von der Wassermauerpromenade aus einen unvergleichlichen Anblick bietet.

In mondhellen Nächten sah man oft den Geist elnes Burgfräuleins in weißen, wallenden Gewändern auf den Zinnen des Schlosses klagend wandeln. Kunigunde, des Ritters von Maretsch einziges, bildschönes Töchterlein, liebte Ritter Theobald von Trauenstein, der unter Friedrich Barbarossa mit der tirolischen Ritterschaft ins Heilige Land zog. Kunigundens Vater hatte den Bund der Liebenden gesegnet und Theobald die Hand Kunigundens zur Ehe versprochen, sobald der Bräutigam vom Kreuzzug heimkehre.

Zwei Jahre waren seit dem Scheiden des jungen Ritters, von dem keine Kunde mehr nach Maretsch kam, vergangen. Da kehrte eines Tages ein fremder Pilger aus Palästina im Schloß ein, erzählte von den heißen Kämpfen und berichtete auch vom jungen Trauensteiner, der im Heiligen Land tapfer gefochten, sich dort Ländereien erobert und die Tochter eines türkischen Paschas zur Frau genommen habe. Kunigundens Herz erstarrte ob des Treubruches ihres Liebsten; verstört, keines Wortes mächtig, floh sie in ihre Kemenate.

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