Der Bozner Pfarrturm und sein Meister

Kurz vor der Vollendung des Pfarrturms brach die Nervenkraft des Meisters Lutz nach der Arbeitsmühe langer Jahre zusammen. Als er seinen prüfenden Blick zur Spitze hob, schien es ihm, als sei das herrliche Bauwerk schief geraten. Dies trügerische Spukbild trieb den Meister an der Schwelle seines Ehrentages in die Verzweiflung. Er entfloh drei Tage vor dem Weihefest spurlos aus der Stadt und hinterließ den Rest seines Baulohnes von 55 Gulden 55 Kreuzer unbehoben in der Stadtkasse.

Dieser Sage steht als Ergebnis neuerer urkundlicher Forschung die Tatsache entgegen, daß Hans Lutz nicht aus Bozen geflohen, sondern als wohlbestallter Spitalmeister in der Talferstadt um 1522 gestorben ist.

Man erzählt, daß der Bau des herrlichen Turmes so viel gekostet habe, daß die Bozner Kaufleute ihr Gold in Scheibtruhen herbeiführen und vor den Steinmetzen und Bildhauern ausschütten mußten, um ihren Eifer an der schweren Arbeit immer wieder aufs neue zu beleben.

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