Venediger-Mandl und Goldtrupf

Ins Kaisergebirge kam vor langer Zeit jedes Jahr ein Venediger-Männlein, das, ohne mit einem Menschen ein Wort zu reden, hinaufstieg in die Felsen und allemal mit einem schweren Säcklein wieder herunterkam. Das Männlein, so meinten die Kufsteiner, wisse oben im Sonnkaiser eine Goldtrupf, die es aber niemandem verrate.

Eines Tages begegnete eine muntere Dirn dem Venediger-Mandl, sprach es frischweg an und fragte, wohin es gehe.

Das Männlein reichte der Dirn freundlich die Hand und sprach ganz unbefangen: "I geh jetzt zur Goldtrupf hinauf, magst mitgehn?« Das Mädel stieg mit dem Mandl bis zur Pyramide und von dort nodi eine gute Weile, bis das Männlein stehenblieb und dem Mädchen eine tiefe Felskluft zeigte. Da unten sei die Goldtrupf, sprach der Venediger und fragte, ob die Dirn sich wirklich getraue, mit hinabzusteigen. Das Mädchen schlug heimlich ein Kreuz und stieg dann an einer langen, seidenen Strickleiter, die sein Begleiter an einem Felszacken befestigt hatte, mit dem Venediger in die Tiefe.

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