In uralter Zeit lebte im Inntal ein Riese namens Haymon, der aus dem schweizerischen Rheintal eingewandert war. Nach Art dieser wilden, hünenhaften Männer kam er bald mit
seinem Nachbarn, dem Riesen Thyrsus, der in der Gegend von Zirl in einer Höhle wohnte, in heftigen Streit, der sich, als die beiden bei einem Bach zusammentrafen, in einem mörderischen
Zweikampf entlud. Haymon verwundete dabei seinen Gegner tödlich. Dort, wo das Blut des erschlagenen Thyrsus rauchend zu Tal strömte, heißt am Zirler Berg heute noch ein Weiler
Dirschenbach; man gewinnt in seiner Nähe ein heilkräftiges Steinöl, das Thyrsusöl.
Als Haymon den gewaltigen Gegner tot zu seinen Füßen hingestreckt sah, war allsogleich der Zorn
verraucht, und bittere Reue über den Totschlag befiel den Riesen. Er sann nach, auf welche Art er seine Bluttat sühnen könne, und beschloß, dort, wo die Sill aus der engen Schlucht ins
Inntal strömt, ein Kloster zu erbauen. Haymon machte sich unverzüglich an die Arbeit und schleppte mit starken Armen die Bausteine aus den nahen Bergen herbei. Sooft er aber sein
mühevolles Tagewerk verrichtet und die Steine schön behauen zusammengefügt hatte, am nächsten Morgen war seine Arbeit immer wieder zerstört. Ein wilder Drache, der die Sillschlucht
beherrschte und dem das gottgefällige Werk des Riesen ein Greuel war, kroch zur Nachtzeit aus seiner Höhle und zerschlug mit mächtigen Tatzenhieben den Klosterbau.
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