Der Falkenburger Geist

Auf dem Glanzerberg in der Nähe von Matrei in Osttirol soll einst auf der Kuppe einer senkrechten Felswand das Schloß Falkenstein oder die Falkenburg gestanden sein. Heute sind nur mehr wenige Spuren des einstigen stattlichen Baues vorhanden.

In der Falkenburg wohnten zwei Schwestern, die nach dem Tode der Eltern ihr Erbteil an blankem Gold gleichmäßig hätten teilen sollen. Das eine der Mädchen war blind und überließ daher die Teilung des Goldes vertrauensvoll der anderen Schwester. Die aber mißbrauchte in ihrer Habsucht die Blindheit der Unglücklichen und verschaffte sich durch einen listigen Betrug den größeren Teil der Erbschaft. Sie nahm zwei Stare, hölzerne Gefäße zum Messen des Getreides, füllte das eine bis an den Rand mit Goldmünzen, kehrte dann das andere Star um und füllte dessen nun nach oben ragende, ganz niedere Bodenhöhlung ebenfalls mit Goldmünzen. Die Blinde befühlte wohl die Holzgefäße, vermochte aber den Betrug der habgierigen Schwester nicht zu erkennen.

Doch die Betrügerin sollte sich ihres unrechtmäßigen Besitzes nicht lange erfreuen, ein jäher Tod rief sie vom Leben ab, und nun muß sie als ruheloser Geist in Gestalt einer schleierumwallten, totenblassen, schönen Frau die Schloßmauern umschweben, ihr Verbrechen büßen und jahrhundertelang vergebens die Erlösung ersehnen.

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