Trotz der Tiergestalt lebte in dem Burschen doch der gesunde Menschenverstand, auch schlug sein Herz noch nach Menschenart. Als der Esel an einer Mühle vorbeikam, fing ihn
der Müller ein und lud ihm nun Tag für Tag Mehlsäcke auf. So mußte der Esel lange, lange Zeit im Dienst des Müllers fronen und sah kein Ende seines Elends.
Da begegnete er einmal
auf einem Dienstweg seinem Hexenliebchen und dessen Mutter, die ihn auch gleich erkannten. Nun bewegte doch eine mitleidige Regung das Herz des Mädchens, es bat die Mutter um ein Mittel,
das dem Verwunschenen seine menschliche Gestalt wiedergeben könne.
Die Mutter riet dem Esel, bei der nächsten Fronleichnamsprozession einer reinen Jungfrau den Kranz vom Kopf zu
reißen und zu fressen, das alleine könne ihn wieder zum Menschen machen. Wie freute sich nun der Esel auf das nahe Fronleichnamsfest, von dem er seine Erlösung erwartete. Als die
Prozession mit Fahnen, Weihrauch und Gesängen vorüberzog, ließ sich der Esel nicht mehr halten, drängte rasch in die Reihen der Mädchen und schnappte einer Jungfrau den Kranz aus dem
Blondhaar. Hastig verschlang das Langohr die Kranzblätter, und siehe, im selben Augenblick stand der Bursche, so wie ihn Gott erschaffen, vor den entsetzten Prozessionsjungfrauen. So froh
der Paznauner war, wieder ein Mensch zu sein, so ergriff ihn doch eine so große Scham, daß er lieber noch länger Esel geblieben wäre, als sich in unbekleidetem Zustand einer
Fronleichnamsprozession zeigen zu müssen.
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