Im Wald, der sich gegen die Felsenbrust der Santnerspitze am Schlern emporzieht, ragen die Trümmer des Schlosses Hauenstein aus einem riesigen, bemoosten Felsblock. Einst
war die Burg der Wohnsitz Oswalds von Wolkenstein, des streitbaren Minnesängers, nun ist sie längst zerfallen.
Wenn die Seiser Hirten spät abends ihre Schafe heimtreiben und am
Hauensteiner Fels vorüberkommen, sehen sie manchmal einen seltsamen Spuk. An einem der Fenster sitzt im silbernen Mondlicht eine Frau, die ihr langes, blondes Haar kämmt, das aber nicht
ein holdes Antlitz umrahmt, sondern von einem bleichen Totenschädel mit leeren Augenhöhlen niederfließt. Das Gespenst wirft auch oft Steine auf die Hirten.
In den Ruinen von
Hauenstein liegen Schätze vergraben, nach denen die Bewohner der Umgebung oft umsonst gesucht haben. Zur Nachtzeit sieht man Lichter und Flämmchen über den Trümmern des Schlosses
schweben, und wer da zurechtkäme, könnte wohl den Schatz, der in solchen Stunden blüht, heben.
Einmal stieg ein Seiser Bauer zur Geisterstunde nach Hauenstein hinauf, um den Schatz
zu suchen. Doch alle seine Mühe war vergebens, er fand nichts als Splitter zerbrochener Fensterscheiben, von denen er einige mit heimnahm. Als der Bauer die Glasscherben in seiner Stube
aus der Tasche holte, hatten sie sich in blanke Goldstücke verwandelt.
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