Wallfahrt Maria Weißenstein

Nach Jahr und Tag regte sich zur Geisterstunde gespenstiges Leben im Schloßhof von Karneid. Rosse wieherten, Rüstungen klirrten, und durch das geöffnete Tor sprengte ein geisterhafter Zug über den Berg hinab. Voran trug der Vogt das Kreuz, der Torwart schwang die Fahne, und von den Hufen der Rosse stoben im scharfen Ritt helle Funken. Hinauf sprengten die Reiter den steilen Weg von Leifers gegen Weißenstein, und als die erste Morgenstunde schlug, war der Zug vor der Wallfahrtskirche angelangt. Ritter und Reisige sprangen von den Pferden; hei, wie klapperten da bleiche Knochen, Totenschädel grinsten aus den geöffneten Helmvisieren, unheimlich starrten leere Augenhöhlen in das nächtliche Dunkel.

Vor dem Gnadenbild sank die gewappnete Totenschar in die Knie, Ruprecht und die Seinen schlugen in tiefer Reue ihre Knochenhände an die gepanzerte Brust, und nun, da das Gelübde erfüllt war, wandelten sich die Gerippe in weiße Tauben, erlöste Seelen, die durch die offenen Fenster der Wallfahrtskirche zum Himmel flogen.

In der Vorhalle der Wallfahrtskirche zeigt ein Deckenfresko aus der Meisterhand Alfons Silbers den Karneider Geisterritt.

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