Wohl die bedeutendste und besuchteste Gnadenstätte des Etschlandes ist Maria Weißenstein, auf den Bergen südöstlich von Bozen in wundervoller Natureinsamkeit
gelegen.
Von der Entstehung der Wallfahrt erzählt die Legende, daß um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein Bauer namens Leonhard Weißensteiner, der drunten im Etschtal einen Hof
besaß, von schwerer körperlicher und geistiger Krankheit befallen wurde, so daß man den Unglücklichen in Ketten legen mußte. Eines Tages gelang es Leonhard, seinen Wärtern zu entfliehen,
er wanderte und irrte tagelang umher, bis er auf einer Bergeshöhe an einem steilen Pfad ausglitt und abstürzte.
Wunderbarerweise blieb Leonhard unverletzt; er erwachte wie aus
einem Traum und sah die Erscheinung der Gottesmutter, die ihn liebreich tröstete, ihm die Gesundheit versprach und ankündigte, daß er nach neun Tagen wohlbehalten von seinen Leuten
gefunden werde. So geschah es wirklich, und Leonhard kam gesund heim. In seiner Not hatte der Bauer das Gelübde getan, an der Stelle seines Sturzes eine Kapelle zu Ehren der
allerseligsten Jungfrau zu erbauen. Nach seiner Genesung vergaß aber Leonhard sein Versprechen, bis er wieder von jener unheimlichen Krankheit befallen wurde und sich nun erst seiner
Versäumnis erinnerte.
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